Es geistern beunruhigende Zahlen durch Presse und Fachmagazine. Von 14% Umsatzverlust im E-Commerce ist die Rede.
Isoliert betrachtet ist das wahrscheinlich für jeden erst einmal ein kleiner Schock, doch wir möchten euch eine Einschätzung geben. Damit möchten wir euch zeigen, wie ihr die Lage des E-Commerce in Deutschland besser einordnen könnt.
Mit diesem Blockbeitrag wollen wir euch erst einmal einen Überblick über die Gesamtsituation verschaffen. Dazu ist es aber nötig, dass wir bis zurück zum Januar 2020 blicken.
Im Januar 2020 erreichte die Covid-19-Pandemie Deutschland. Es folgten Kontaktbeschränkungen, Lockdown light und eine Bundesnotbremse. Eine große Veränderung für alle und auch für den stationären Handel, der großteils eingestellt wurde.
Trotz dieser ungewöhnlichen Situation setzte der E-Commerce im ersten Coronajahr zu seinem Aufstieg an, der im bisherigen Rekordumsatzjahr im Folgejahr 2021 seinen Höhepunkt erreichte. Hier liegt auch die Ursache in der aktuell negativen Einschätzung der Entwicklung des Onlinehandels.
Nach über zwei Jahren Pandemie war das stationäre Einkaufen wieder möglich, kulturelle Einrichtungen durften wieder öffnen und auch Reisen war wieder möglich und gefragt.
Nach dem Höhepunkt im Online-Handel im Jahr 2021 gilt 2022 als das erste Jahr mit negativem Wachstum im Online-Handel überhaupt. Kehren die Menschen nach der Pandemie dem Online-Handel wieder den Rücken zu?
Nein, auch 2022 war für den E-Commerce ein erfolgreiches Jahr; jedoch nicht vergleichbar mit dem Jahr 2021, an dem der Erfolg gern gemessen wird. Außerdem herrscht seit Februar 2022 wieder Krieg in Europa. Die damit einhergehenden Ängste, Lieferengpässe und vor allem die Energiekrise dämpfen die globale Wirtschaft.
Der anhaltende Umsatzabschwung ist, um es kurz zu fassen, zwei wesentlichen Faktoren geschuldet:
1. Der beispiellose Umsatz-Höhenflug mit durchschnittlich 25% Zuwachsraten 2020 & 2021 führte zu überhöhten Erwartungen an die Folgejahre, die nicht erfüllt werden können. Diese Jahreszahlen sollten als Booster verstanden werden und nicht als Referenz für nachhaltiges Online-Wachstum.
2. Die konjunkturschwache Konsumstimmung, bedingt durch die hohe Ausgabenbelastung der Privathaushalte, Inflation, Rezession und unsichere politische Lage lassen Umsätze sinken.
Das bedeutet eindeutig, dass die rückläufige Umsatzentwicklung im E-Commerce nicht als Zeichen verminderter Zufriedenheit mit dem Online-Handel zu verstehen ist. Eher machen die Pandemiejahre deutlich, was der Online-Handel leisten kann und wozu er fähig ist.
„Die weiterhin hohe Kundenzufriedenheit und Bestellfrequenz – wenngleich für geringere Summen – zeigen deutlich, dass die Umsatzrückgänge nicht auf Schwächen der Handelsform E-Commerce beruhen, sondern auf konjunkturellen Effekten“. Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (BEVH).
Erklären wir es mit einem Gedankenexperiment:
Wir wagen die These, dass in einer Welt ohne Covid-19 Pandemie der E-Commerce nicht so schnell gewachsen wäre.
Zwar zeigte die Kurve bis 2021 stetig nach oben, doch auf die Jahre gemittelt erzielte der Online-Handel in Deutschland seit 2015 im Schnitt eine Zuwachsrate von ca. „lediglich“ 10% pro Jahr. Der plötzliche Anstieg 2020 (+33%) und 2021 (+16%) sind also auf die Pandemie zurückzuführen.
Theoretisch betrachtet ist die Umsatzentwicklung im E-Commerce seit 2022 nachlassend.
Dennoch hat sich der Netto–Handelsumsatz im Online-Handel seit 2020 kontinuierlich über 50% Umsatzplus, im Vergleich vor der Pandemie bewegt.
Somit ist es normal, dass der steile Anstieg durch die Extremsituation, einen graduellen Abstieg nach sich zieht, nachdem die Corona Krise überstanden ist. Der pandemiebedingte Boom flaut auf das neue Normal ab und dieses ist zurzeit krisengeschüttelt und konjunkturschwach.
Verglichen mit Q3 des Vorjahres (2022) zeigt sich branchenübergreifend in Q3/2023 ein Umsatzrückgang um 14%.
„Aus Verbrauchersicht hat sich in den vergangenen Monaten nichts fundamental verbessert: Die Ausgabenbelastung der Privathaushalte bleibt hoch, die Gesamtwirtschaft steuert in eine Rezession. Davon kann sich der Onlinehandel nicht abkoppeln“. – Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (BEVH).
Davon sind auch alle fünf Warencluster betroffen. Die stärksten Umsatzrückgänge mussten die Cluster Unterhaltung mit -18,9% und Bekleidung mit -17,5% verzeichnen, die Umsätze mit Waren des täglichen Bedarfs gingen um 10,2% zurück.
Zurzeit lässt die Aussicht auf das vierte Quartal 2023 keine wesentlichen Änderungen vermuten, und auch zukünftig wird es wahrscheinlich keine Änderungen geben.
Eine Verbraucherbefragung „Interaktiver Handel in Deutschland“ zeigt, dass jeder vierte Verbraucher in der Vorweihnachtszeit weniger ausgeben möchte.
Daher unser Appel an euch:
Orientiert euch daran, wie wo euer Business vor den Pandemiejahre stand und macht euch dadurch eure Stärken und Schwächen bewusst. Prüft kennzahlengestützt die Sortiments-, Kunden- und Umsatzahlen. Prüft eure Marge, diskutiert intern, wie weit und ob überhaupt Ihr euch an den E-Commerce Feiertagen in Q4 aus dem Fenster lehnen wollt. Hier besteht die Gefahr, dass man sich durch Rabatte Umsatzzahlen erkauft, die jedoch kaum oder sogar keinen Deckungsbeitrag generieren. Fahrt auf Sicht und wirtschaftet konservativ.
Betrachtet die Pandemiejahre als Ausnahmesituation. Dennoch geht der Online-Handel gestärkt aus dieser Zeit hervor, da er operativ stärker sowie flexibler aufgestellt ist. Auch wenn die momentane wirtschaftliche Lage nicht mit der vorherigen zu vergleichen ist, ist durch die Pandemie die Online-Affinität vieler Menschen deutlich größer, was eure Zielgruppe vergrößert hat
Quellen:
https://bevh.org/detail/onlinehandel-ohne-positive-impulse
https://bevh.org/detail/bevh-branchenbarometer-q3-2023
https://bevh.org/detail/wird-schmalhans-weihnachtsmann
https://www.e-commerce-magazin.de/konsumverhalten-verbraucher-wollen-in-der-hochsaison-sparen/