Als Fachkräftemangel wird eine Situation bezeichnet, in der eine nennenswerte Anzahl offener Stellen nicht besetzt werden kann, weil auf dem Arbeitsmarkt keine entsprechend qualifizierten Fachkräfte zur Verfügung stehen. Anzeichen für einen Fachkräftemangel in einer Branche sind ein überproportionaler Anstieg der Entgelte sowie ein verstärkter Wettbewerb der Arbeitgeber um entsprechend qualifizierte Fachkräfte.
„Der Fachkräftemangel ist wieder das größte Risiko für die Unternehmen, gefolgt von steigenden Rohstoffkosten, zunehmender Regulierung und Energiekosten“, so Alexander Börsch, Chefökonom der Unternehmensberatung Deloitte, in einem Artikel zum Fachkräftemangel im Magazin „IHK plus“ aus dem Jahr 2022. Seitdem hat sich wenig geändert und was damals galt, gilt auch heute noch.
Erschreckend ist, dass sich der Personalmangel bundesweit durch alle Branchen zieht. Besonders betroffen ist die Pflege. Deutschland ist auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen, ohne die Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser ihre Patienten nicht mehr versorgen könnten. Trotzdem gibt es nicht genug. Auch das Baugewerbe ist stark betroffen. Drei Viertel aller Unternehmen der Branche haben mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. In der IHK-Herbstumfrage gaben 80 Prozent der Unternehmen im Baugewerbe an, dass sie offene Stellen auch längerfristig nicht besetzen können. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Hotel- und Gaststättengewerbe. Hier sind 70 Prozent der Unternehmen betroffen. Aber auch die Immobilienbranche, die Metall- und Elektroindustrie, das Handwerk und die Logistik sind stark betroffen. Besonders dramatisch ist der Mangel an Lkw-Fahrern und Lokführern, da die Gesellschaft in hohem Maße auf dieses Personal angewiesen ist.
Ursachenforschung: Warum herrscht ein so großer Mangel an Arbeitskräften?
Der Personalmangel beginnt bereits beim Nachwuchs. Bereits während der Schulzeit und in der Phase, in der sich die Jugendlichen Gedanken über ihren beruflichen Werdegang machen, werden sie nur unzureichend abgeholt. Die Schulen bieten zwar die Möglichkeit, Praktika zu absolvieren, um erste Berufserfahrungen zu sammeln, stellen dabei aber meist nur “typische” Ausbildungsberufe vor.
Die ganze Bandbreite anderer spannender Berufe bleibt den Schülern damit weitgehend verborgen. Dies hat zur Folge, dass sich später nur ein geringer Teil der Berufe als Option herauskristallisiert. Auch das Ausnutzen von Praktikanten für unbeliebte Tätigkeiten schreckt viele Jugendliche ab. Die Attraktivität vieler Berufe wird einfach zu wenig vermittelt.
Dies ist zum Teil auf eine mangelnde Sensibilisierung der Lehrkräfte zurückzuführen. Gleichzeitig spielen aber auch die Betriebe eine Rolle, die ihre Ausbildungsangebote nicht attraktiv genug gestalten oder die Attraktivität der Berufe nicht ausreichend kommunizieren.
Die Hauptursachen für den Fachkräftemangel sind die „drei D“:
1. Demografischer Wandel: Ein Ungleichgewicht zwischen Renteneintritten und verfügbaren Nachwuchskräften verschärft den Mangel.
2. Digitaler Wandel: Die Digitalisierung verändert Arbeitsplätze grundlegend und schafft neue Berufe mit speziellen Qualifikationsanforderungen.
3. Dekarbonisierung: Neue Klimajobs erfordern neue Qualifikationen, um den CO
Ein weiterer Grund ist die geringe Attraktivität der dualen Berufsausbildung. Trotz eines Anstiegs der Neuabschlüsse wird die Zahl der Ausbildungsverträge im Jahr 2023 immer noch unter dem Niveau von 2019 liegen. Zudem verlieren mittelständische Unternehmen im internationalen IT-Wettbewerb, da gut ausgebildete IT-Fachkräfte häufig ins Ausland abwandern.
Das Management von Unternehmen spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung des Fachkräftemangels. Es bedarf einer vorausschauenden Ausrichtung in die Zukunft. Oft setzen Führungskräfte die Hürden für Bewerber besonders hoch, was dazu führt, dass potenzielle Kandidaten von vornherein ausgeschlossen werden. Zudem wird in vielen Unternehmen nicht ausreichend für die Bindung bestehender Mitarbeiter getan, was zu einem häufigen Wechsel in andere Unternehmen oder sogar Branchen führt.
Was können Unternehmen also tun, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen?
Unternehmensführung erfordert eine vorausschauende Perspektive, verbunden mit der Bereitschaft, die Hürden für Bewerber zu senken. Diese Herangehensweise eröffnet nicht nur potenziellen Kandidaten mehr Möglichkeiten, sondern stärkt auch die Position des Unternehmens. Zudem sollte internen Mitarbeitern die Aussicht auf neue Perspektiven geboten werden, indem ihre Talente erkannt und gefördert werden. Regelmäßige Mitarbeitergespräche eignen sich besonders gut, um diese Potenziale zu identifizieren und gleichzeitig aktuelle Herausforderungen frühzeitig anzugehen. Durch diese proaktive Herangehensweise können Unzufriedenheiten und spätere Kündigungen vermieden werden.
Eine vorausschauende Unternehmensführung beinhaltet auch das frühzeitige Identifizieren und Anwerben geeigneter Mitarbeiter und Talente, noch bevor sich ein Personalmangel abzeichnet. Ein maßgeblicher Erfolgsfaktor in diesem Zusammenhang ist das Marketing des Unternehmens. Der Außenauftritt spielt eine entscheidende Rolle bei der Gewinnung neuer Fachkräfte, da potenzielle Bewerber sich bereits im Vorfeld über das Unternehmen informieren. Stimmt der Außenauftritt dann nicht, ist das Unternehmen nicht im Internet auffindbar oder präsentiert sich nicht attraktiv genug als Arbeitgeber, senkt das die Chancen auf eine Bewerbung enorm. Unternehmen, die lange bei der Suche nach neuen Mitarbeitern erfolglos waren, haben können zudem länderübergreifende Rekrutierungsoptionen in Betracht ziehen. Darüber hinaus bieten digitale Tools eine effektive Möglichkeit, Unternehmensprozesse zu optimieren und den Mitarbeitern mehr Zeit für strategische Aufgaben zu verschaffen.
Was unternimmt Deutschland, um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen?
Nicht nur einzelnen Unternehmen tragen die Verantwortung für die erfolgreiche Bewältigung des branchenübergreifenden Fachkräftemangels, sondern auch das Land spielt für eine erfolgreiche Bekämpfung des branchenübergreifenden Fachkräftemangels eine entscheidende Rolle. Es setzt vor allem auf ausländische Fachkräfte aus Drittstaaten, da der deutschen Wirtschaft jährlich mindestens 400.000 Fachkräfte fehlen, die nur durch Zuwanderung aus dem Ausland gedeckt werden können. Das am 01.03.2020 in Kraft getretenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) erleichtert den Zugang zu Aufenthaltserlaubnis und Arbeitsgenehmigung erheblich. Das gesamte Verfahren, einschließlich Visumserteilung und Berufsanerkennung, wurde beschleunigt, und Unternehmen müssen nicht mehr nachweisen, dass bevorrechtigte Bewerber aus Deutschland für die zu besetzenden Stellen verfügbar sind.
Doch so einfach es auch klingt, an der Umsetzung muss noch gearbeitet werden, da nicht jedes Bundesland eine Zentralstelle für Fachkräfteeinwanderung eingerichtet hat, um den Prozess zu beschleunigen. Somit bleibt der bürokratische Aufwand hoch und die Bearbeitungszeit verkürzt sich nur gering.
Daher sollten auch Studienabbrechern oder Menschen mit erschwerten Bedingungen, in den Arbeitsmarkt einzusteigen, eine Chance erhalten und das Handlungsfeld kontinuierlich erweitert werden. Digitale Möglichkeiten sollten ebenfalls verstärkt in Betracht gezogen und gefördert werden, da eine langfristige und nachhaltige Strategie erforderlich ist, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie unter:
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